Individuelle Unterschiede in impliziten und expliziten Einstellungen zur Homosexualität : eine empirische Studie

J. Seise, R. Banse, F. Neyer

Die mittels empirischer Studien erfassten Einstellungen gegenüber homosexuellen Männern und lesbischen Frauen werden vielfach als Gradmesser für die Akzeptanz von Homosexuellen herangezogen. In ihrer Obersicht zum Stand der Forschung weisen die Autoren auf eine mögliche Verzerrung dieser Ergebnisse durch die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit hin, die sich vor allem bei der expliziten Erfassung von Einstellungen gegenüber Minderheiten durchsetze. Um diese Tendenz zu minimieren, haben die Autoren in ihrer Untersuchung der Einstellungen zur Homosexualität den "Impliziten Assoziationstest.. (IAT) von Greenwald et al. sowie einen selbst entwickelten Fragebogen zur Erfassung der affektiven und kognitiven Einstellungen verwendet. Verglichen wurden die Einstellungen von heterosexuellen Frauen und Männern, homosexuellen Männern und lesbischen Frauen (N = 110). Dabei zeigte sich, dass, wie erwartet, heterosexuelle Frauen und Männer negativere implizite und explizite Einstellungen zur Homosexualität aufweisen als homosexuelle Frauen und Männer. Heterosexuelle Frauen hatten jedoch eine positivere implizite Einstellung zur Homosexualität als heterosexuelle Männer. Lesbische Frauen zeigten eine positivere explizite und implizite Einstellung zur Homosexualität als homosexuelle Männer. Ausserdem waren die affektiven Einstellungen heterosexueller Frauen und Männer gegenüber Homosexuellen des eigenen Geschlechts negativer als gegenüber Homosexuellen des anderen Geschlechts. Bei heterosexuellen Probanden waren die expliziten Einstellungen zur Homosexualität abhängig von der Ausschliesslichkeit ihrer sexuellen Orientierung und von der Quantität und der Qualität ihrer Kontakte zu lesbischen Frauen und homosexuellen Männern.